Werden wir uns wiedersehen?
Ich steige in das Flugzeug in der Hoffnung, dich hier im hohen Norden zu finden, weit weg von meinem Daheim. Lange habe ich auf diesen Moment gewartet.
Rastlos schlendere ich durch die Strassen von Longyearbyen, ich sehe dich nirgends, du scheinst nicht hier zu sein, nicht heute. Die Rentiere kauen seelenruhig vor sich hin, je später der Tag, desto mehr schwindet meine Hoffnung, dich hier anzutreffen.
Leinen los! Ade ohne dich. Ich bin enttäuscht. Es würgt mich. Was würde ich hier wohl finden, wenn nicht dich? Ich erkunde das Schiff, der Willkommensdrink befeuchtet meine trockene Kehle, ich ringe nach Luft. Die gleissende Sonne dämpft meinen Schwermut. Alsbald finde ich den Draht zu meinen Mitreisenden, erste Tränen des Lachens fliessen beim Nachtessen. Wir sind uns fremd, und doch so nah!
Das Schiff gleitet sachte über das ruhige Wasser, ich werde nicht seekrank. Gott sei Dank. Wie schön es hier ist, so frisch die Luft, so klar das Wasser! Ich fühle das sanfte Moos durch meine Gummistiefel und wünsche mir, mich ohne Kleider auf dieses weiche Kissen legen zu können. Das Meer ist spiegelglatt, die Bartrobbe sonnt sich auf einer Eisscholle und schaut in meine Kamera.
Ach, es sind nur Bilder, die bittere Kälte kann ich nicht festhalten. Meine Finger leiden. Abhilfe schaffen andere Hände, kräftig und sanft zugleich. Ich bin berührt. Eine Elfenbeinmöwe gesellt sich zu mir. Mir ist auch danach, die Flügel auszubreiten und einfach fortzufliegen, wann es mir passt, am liebsten zu dir. Ich sitze fest, aber es fühlt sich bequem an. Ich merke, ich bin ganz im Hier und Jetzt. Endlich angekommen.Meine Gedanken kreisen, während ich schlaflos in der Kabine liege. Die trockene Luft macht mir zu schaffen. Ich denke nicht mehr so viel an dich! Das tut gut. Abschalten und weiterschauen. Über den Nordpol hinaus.
Die Tage vergehen, sie entwickeln sich in eine Richtung, in die ich nicht zu träumen gewagt hätte. Ganz nach meinem Wunsch, als würde es immer so laufen. Ich werde erhöhrt. Es wird viel besser kommen, als ich es mir ausmale. Ich sitze auf der Bank und warte auf dich. Ganz aufgeregt! Mein Herz klopft fest. Endlich bist du da und berührst meine Hand, das habe ich mir erhofft. Wir wollen dasselbe, tauchen ab, unsere Lippen treffen sich, ich versinke in der endlosen Weite des Polarmeeres. Alles dreht sich. Was für ein Leben!
Über Stock und Stein geht es den Berg hinauf, ich sehe dich nicht mehr, sehne mich dafür umso mehr nach dir. Gerne hätte ich deinen Geschichten gelauscht. Dafür zeigen sich mir versteinerte Muscheln und ein versteinerter Ammonit. Ich bin sprachlos. Mein Puls schlägt höher, meine Wangen röten sich, es ist schön, in diesem Schlauchboot zu sitzen und dich im Augenwinkel zu haben. Die Fahrt um die Eisberge und entlang der Gletscher in dichtem Nebel könnte ewig dauern, mir ist nicht kalt. Deine Stimme ist Balsam für meine Ohren. Hör nie mehr auf zu sprechen. Die Sonne hat sich verzogen, Nebel umhüllt das Schiff, schleicht sich aber nicht in meine Seele. Ich bin stark. Wo bist du geblieben? Es ist mir egal, mein Herz frohlockt ohne dich.
Einsam tapst der Eisbär über das Packeis. Lange fühlte ich mich so, jetzt nicht mehr. Dein Lachen erhellt meinen Geist, die Vögel tanzen um uns herum, ich bin entzückt. Der kalte Wind in der arktischen Wüste setzt mir zu, das kannst auch du nicht ändern, aber die bunten winzigen Blumen erfreuen meine Augen und nähren meine Liebe zum Detail. Gerne wäre ich jetzt mit dir alleine!
Ich habe dich hier in dieser erbarmungslosen und fantastischen Polarwelt nicht gefunden, dafür etwas anderes liebgewonnen und kehre heim so leicht wie schon lange nicht mehr!
Werden wir uns wiedersehen?