Datum: |
09.06.2017 |
Position: |
77°00.9’ N / 016°25.4’ O |
Wind: |
NE 3 |
Wetter: |
bevölkt |
Lufttemperatur: |
+4 |
Nach einer ersten, sehr ruhigen Nacht an Bord – die See war praktisch glatt – wurden wir VOR dem angekündigten Weckruf von Michael aus den Betten getrommelt. Das hatte auch seinen guten Grund, denn schon vor einer Stunde hatte die Brücke auf dem Eis vor dem gewaltigen Gletscher im Brepollen einen Eisbären entdeckt. Unser Erster!!! Per Durchsage bekamen wir Zeit, um uns den Schlaf aus den Augen zu reiben und warm anzuziehen. Wer wollte, schnappte sich eine Tasse Kaffee und dann ging es raus. Mensch, der kleine Punkt da in der Ferne?! Aha, erst nachdem die Mehrheit an Deck war, setzte Kapitän Nazarov das Schiff wieder in Bewegung und wir “schlichen” uns an. Der Wind stand günstig, alle waren mucksmäuschenstill. Auch mit blossem Auge wurde langsam erkennbar, dass der Bär neben einer erlegten Ringelrobbe gelegen hatte und nun wieder anfing zu fressen. Elfenbeinmöwen und Eismöwen wollten seine Mahlzeit teilen.
Nach einer Weile lieβen wir den Bären in Ruhe und wandten uns mit eigenem Magenknurren dem Frühstücksbuffet zu. Plan A stimmte ja schon nicht mehr und Plan B sah nun die Verhaltensregeln in der Arktis und Sicherheitsinstruktionen für die Zodiacs und im Land der Eisbären vor. Das musste nicht von den aus der vorherigen Reise an Bord Gebliebenen gefolgt werden. Deswegen war es auch so auffällig, als diese Passagiere mitten in Michaels Erklärungen vor dem Fenster vorbeistürzten: drei weitere Eisbären! Diesmal eine Mutter mit zwei kleinen Jungen. Die Bärin war mit einem Senderhalsband ausgestattet; die Jungen spielten ein bisschen, bevor sie sich wieder einrollten. Toll!
Uns wieder in die Lounge zu kriegen, war wohl wie Flöhehüten, aber die Instruktionen mussten zu unser aller Sicherheit sein. Dennoch: wenn die Brücke im Samarinvågen Belugas in einer Öffnung, einer Polynia, im festen Eis vor dem Gletscher meldet, dann wissen wir, worauf wir uns lieber konzentrieren. Immer wieder kamen die Köpfe dieser weiβen Wale umhoch, aber sie waren sehr schwer zu zählen, selbst als sie dann im offenen Wasser die Küste entlang schwammen. Etwa ein Dutzend. Der Farbunterschied zwischen den weiβen Alttieren und den grauen Jungtieren war gut zu sehen. Wie schon im Brepollen lagen auch hier viele Ringelrobben auf dem Eis, aus dieser Entfernung kleine, schwarze Würste.
Irgendwie kriegten wir die Einführungen und auch das Mittag-essen ohne weitere “Störungen” hinter uns. Das Nach-mittagsprogramm, inzwischen Plan C – oder doch schon D? – sah nun eine Land-ung per Zodiac im Gåshamna, der Gän-sebucht, vor. Wir konnten alles Neuerlerne gleich einmal ausprobieren und aus lauter Respekt vor den Eisbären blieben wir auch schön bei unseren jeweiligen Gruppen in Gegenwart der bewaffneten Guides. Die Wahl wurde getroffen zwischen kurzer, mittlerer und langer Wanderung. Aber egal in welche Richtung sich die Gruppen wandten: Gåshamna strotzt vor Geschichte und Archäologie. Vier Jahrhunderte von menschlicher Aktivität repräsentiert durch Walfang, Walrossjagd, Pelzjagd... selbst die Wissenschaft und der Bergbau waren vertreten. Mal ganz davon abgesehen, dass die Dreizehenmöwen bereits ihre kleine Brutkolonie bezogen hatten und neben vielen anderen Vögeln Schmarotzerraubmöwen unsere Landung interessiert beäugten.
Zur Genüge ausgepowert brachten uns unsere Zodiacfahrer zurück an Bord, wo nach kurzer Zeit schon ein Recap, eine Zusammenfassung unseres erlebnisreichen Tags gegeben wurde. Das Abendessen hatten wir uns verdient. Was wird wohl morgen auf uns warten?
PS: Wieso eigentlich erst morgen?! Die meisten von uns befanden sich gerade auf dem Weg in die Kojen, als Michael gegen 23h ansagte, dass vor dem Bug Wale gesichtet worden waren. Blauwale! Finwale! Buckelwale! Zwergwale! Rund 30 dieser Bartenwale waren dicht an der Oberfläche am Fressen; ab und zu konnte man die riesigen Barten bestaunen, mit denen sie Plankton aus dem Wasser sieben. Weiβschnauzendelfine spielten zwischen-zeitlich in unserer Bugwelle. Ein Naturschauspiel erster Kajüte.