Datum: |
01.07.2017 |
Position: |
79.56,7 N / 011.48,9 O |
Wind: |
N2 |
Wetter: |
wolkig |
Lufttemperatur: |
+1 |
Für alle mit Kabinen in Wassernähe ist Christians Weckruf heute nicht das erste was sie hörten, stattdessen weckt sie das Schaben von Eisschollen an der Bordwand. Über Nacht haben wir einen riesigen Satz nach Norden gemacht und sind nun nördlich des Raudfjords im Treibeis.
Während des Frühstücks werden die Schollen größer und verdichten sich. Bald wird eine Bartrobbe auf dem Eis gesichtet. Gruppen von Sattelrobben steckeen keck die Köpfe in die Höhe und schwimmen in Gruppen zwischen den Eisschollen umher. Die Mischung aus Nebel und Sonne, die zwischen den Wolken hervorbricht, schafft Licht, ein bisschen wie im Traum, unwirklich und wunderschön.
Minute um Minute schieben wir uns in den Norden vor und bald haben wir den achtzigsten Breitengrad überschritten. Vor uns liegt die kleine Insel Moffen. Sonst ein Rastplatz für Walrosse, ist sie nun dicht vom Packeis eingeschlossen. Angestrengt schauen wir durch Ferngläser und Teleskope, denn jeder will der erste sein, der den Eisbären entdeckt. Stattdessen sehen wir Robben, Dreizehenmöven, Eissturmvögel und Dickschnabellummen, die den Pinguinen der Antarktis so ähnlich sehen mit ihrem schwarz-weißen Gefieder.
Nach dem Mittagessen setzen wir unsere Suche fort. Schollen knirschen unter dem Bug, ab und zu bleibt etwas rote Farbe an einer Eisscholle zurück. Die Außendecks sind voll, nur ab und zu ziehen sich manche in die warme Lounge zurück mit einem Tee oder einer heißen Schokolade. Am Nachmittag sprechen Michael und Katja über Eis und Meereis in der Arktis, auf Englisch und Deutsch. All dies war jedoch nur die Ouvertüre. Als Hauptakt erscheint – der Bär.
Kapitän Alexey erspäht ihn zuerst auf dem Meereis nördlich des Liefdefjords. Langsam und behutsam schiebt sich die Plancius heran und wir können den Bären mit bloßem Auge erkennen. Diejenigen die gute Ferngläser haben, können ein Halsband am Nacken erkennen. Aha, also ein weiblicher Bär, denn nur bei diesen halten die Satelliten-Halsbänder.
Bei Männchen würden sie wegen des nicht vorhandenen Nackens sofort abrutschen. Die Bärin läuft zunächst über das Eis, dann schwimmt sie, eindeutig mit Determination. Worum es dabei geht, wird uns klar, als wir die Bartrobbe auf der Eisscholle sehen. Unsere Bärin ist auf der Jagd! Spannender kann es fast nicht mehr werden. Sie schwimmt lautlos an die Scholle heran, legt sich flach aufs Eis, nur ab und zu sehen wir, wie ihr Kopf sich hebt, um die Robbe anzupeilen. Sie gleitet ins Wasser, dann geschieht eine ganze Weile gar nichts und dann alles auf einmal. Die Robbe verschwindet in ihrem Loch und wo noch Sekunden zuvor die Robbe lag, ist nun die Bärin. Sie muss unter der Scholle durchgetaucht sein, um dann explosionsartig am Robbenloch empor zu schiessen. Das war Natur live und spannender als jeder Krimi.
Im nachfolgen Recap erklärt Katja, was wir gerade beobachtet haben und Christian spricht über unsere Blauwalbegegnung des vergangenen Abends. Während des Abendessens gibt es eine weitere Überraschung - aus dem Restaurant-Fenster wird ein Walross auf einer Eisscholle gesichtet.
Flexibel wie immer ändern wir die Menüfolge: Walross erst, Nachtisch später in der Lounge. Und so können wir das Walross in aller Ruhe betrachten, während die Plancius langsam vorübergleitet. Es handelt sich eindeutig um einen Walrossbullen.
Nach all der Aufregung ist der Tag jedoch noch immer nicht zu Ende. Birgit erzählt von ihrer Ski-Expedition zum Nordpol, wo sie tagelang mit Stürmen, eisiger Kälte und nach Süden driftentem Eis kämpfen musste. Dennoch war ihres das einzige Team, das in diesem Jahr den Nordpol erreichte.
Nach dem Vortrag scheint die Sonne immer noch wunderschön auf das Eis und Dreizehenmöwen fischen laut kreischend nach Polardorschen direkt neben dem Schiff.
Es ist hart, all der Schönheit den Rücken zu kehren und ins Bett zu gehen, aber wie Christian sagt: Schlafen könnt ihr immer noch im Nebel und Regen.