Datum: |
26.08.2017 |
Position: |
78°15,4‘ N / 021°56,7‘ O |
Wind: |
NW-2 |
Wetter: |
bewölkt |
Lufttemperatur: |
+3 |
Die Landschaft, die sich heute vor unseren Bullaugen präsentierte, sah wie angekündigt ganz anders aus als das, was wir gestern im Kielwasser zurückgelassen hatten. Plancius hatte den Freemansund erreicht, und zu beiden Seiten bot sich ähnliche Aussicht: flache Strandlinie mit etwas Treibholz, gefolgt von braunen Plateaubergen, die sich über mehrere Terrassen auf ungefähr 300 bis 400 m erhoben. Die Hänge waren bisweilen schon in herbstlichen Farben gemustert.
Backbord lag Edgeøya, aber der morgendliche Ausflug war zur an Steuerbord gelegenen Barentsøya geplant. Während wir uns darauf noch mit dem Frühstück vorbereiteten, waren unsere Guides bereits auf den Beinen: Von der Brücke aus wurde gründlich nach verdächtigen pelzigen gelben Punkten gespäht, und kurze Zeit später waren auch zwei Zodiacs im Wasser, die weitere Augenpaare schon mal an Land brachten, um die Umgebung aus möglichst vielen verschiedenen Winkeln ausgiebig unter die Ferngläser zu nehmen.
Obwohl hier von Eis und Schnee nicht viel zu sehen war, gilt diese Gegend als besonders bärenreich. Aufgrund von Strömungsverhältnissen liegt nämlich das Eis hier besonders lange, und wenn es sich dann letztlich vollends auflöst, bleibt den Bären, die sich nicht rechtzeitig in Richtung Norden auf den Weg gemacht haben, nichts anderes übrig, als den Sommer hier auf den Inseln zu verbringen.
Gründliche Untersuchungen heute gaben aber Anlass zur Freude: Dem geplanten Besuch bei den Dreizehenmöwen stand nichts im Wege. Also nahmen wir in den Zodiacs Platz und wurden nach Kapp Waldburg übergesetzt. Von hier ging es dann in gesammelter Gruppe ein paar hundert Meter sanft anfallende Tundra hinauf in Richtung Plateauberge und einem kleinen Flussbett folgend in einen tiefen Canyon hinein – mitten zwischen die Vögel. Zu beiden Seiten saßen sie hier Jung und Alt Seite an Seite, kreisten durch die Luft, und die natürliche Geräuschkulisse war beeindruckend. Man hatte wirklich das Gefühl, selbst auf so einem Nest zu sitzen und vielleicht Futter angeboten zu bekommen – hier fühlte man sich beinah wie eine Dreizehenmöwe. Natürlich waren bei so einer großen Kolonie auch die Füchse nicht weit. Besonders scheu waren sie nicht, tollten einfach um uns herum, und der eine schien sogar mit Gérard, der die Nachhut bildete, ein längeres Gespräch zu halten, wie sie sich da gegenübersaßen.
Für diejenigen unter uns, denen der Sinn nach etwas mehr Bewegung stand, bot sich die Gelegenheit zu einer kleinen Wanderung steil bergan – sozusagen auf das Dach der Vogelkolonie. Vom oberen Plateau aus konnte man nämlich auch einen Blick hineinwerfen in das Leben und Treiben, während einsere Guides sicherstellten, dass nicht doch plötzlich ein Bär auftauchte und beim Rückzug aus dem Canyon den Weg abschnitt. Doch der Ausflug verlief ungestört. Gesättigt mit Bildern und Eindrücken nahmen wir Kurs Richtung Ufer und Plancius, um unseren leiblichen Hunger am Mittags-buffet zu stillen.
Weiter ging es den Freemandsund entlang nach Westen. Man konnte Storfjorden und die gegenüberliegende Ostküste der Hauptinsel Spitzbergen bereits sehen, aber wir wollten noch einmal zurück auf die Barentsinsel und fanden bei Sundneset eine geeignete Anlaufstelle. Mitten zwischen schokoladenbraunen Basaltsäulen und vom Wasser aus kaum sichtbar tat sich ein kleiner Naturhafen auf, dahinter eine leicht gehügelte Tundralandschaft.
Unsere Guides bildeten einen großen Halbkreis, so dass wir uns hier nach eigenem Belieben verlustieren konnten. Nicht nur Blümchen und alte Walknochen gab es zu bewundern, auch ein freundliches Rentier schaute vorbei und ließ sich bereitwillig ablichten. Und wir stellten einen neuen Rekord im Müllsammeln auf! Hier lag einiges an unerwünschten Souvenirs herum, unter anderem ein Stück Fischernetz, das sich ausgezeichnet als Verpackung für den übrigen Restabfall eignete. Diesen Strand hinterließen wir auf alle Fälle in einem besseren Zustand, als wir ihn vorgefunden hatten. Wer sich genug umgesehen hatte, fand zwischen den Basaltformationen windgeschützte Plätzchen für eine Rast, wobei uns die Sonne im Gesicht wärmen konnte. Ein wirklich schönes Erlebnis, mal ganz auf eigene Faust die nähere Umgebung auszukundschaften.
Zurück an Bord war es dann Zeit für Recap und Abendessen, draußen färbte sich der Himmel allmählich orange, und den krönenden Abschluss für diesen schönen Tag bildete eine Vielzahl Finn- und Zwergwale, die im Storfjord um uns herum fleißig am Fressen und Atmen waren. Natürlich ließ es sich unser Kapitän nicht nehmen, diese großen Meeressäuger aus der Nähe bei ihrem Treiben zu begleiten, so dass wir sie gut beobachten konnten – eine wirklich gelungene Rückkehr in die gemässigten Breiten Svalbards!